Von ganz unten auf

Zum Tod des Kino-Weltstars Sean Connery

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 5 Min.

Es gibt eine Selbstsicherheit, die verstört und Distanz schafft. Die Souveränität des Schauspielers Sean Connery dagegen besaß etwas souverän Einnehmendes, sie vermied auf sehr sportliche Weise die Selbstgefälligkeit. Als er nach seiner legendären, langen James-Bond-Karriere noch einmal zurückkehrte in diese Rolle, in »Sag niemals nie«, da steigerte sich dieses Comeback, vor dem ihn viele gewarnt hatten, zu einem der bezwingendsten Auftritte des Stars. Weil er so großartig mit den Halbtönen der Ironie jonglierte. Von Eitelkeit offenbar kaum angekränkelt, ließ er sich nicht verführen, die alte Geschmeidigkeit des Siegers nur wieder aufzupolieren. Im Gegenteil, er ächzte durch die Rolle, dass es eine einzige Lust war, und nebenbei machte er gleich noch den technisch aufwendigen Firlefanz der Bond-Filme lächerlich. Da trat ein ergeben alternder Superman an, die Welt zu retten, aber: bescheiden geworden in seinen Möglichkeiten zur Männlichkeit. Die doch mal sein betörendes Kapital war.

Wenn der einstige Bodybuilder Connery vor die Kamera trat, war sofort erkennbar, dass da ein Zugriff stattgefunden hatte. Er streifte, umspielte, betastete seine Rollen nicht, er griff zu - aber er musste dabei nicht ins Toben und Wüten geraten. Sein bezwingendes Verhältnis zur Körperschaft eines Darstellers gründete in charmanter Seelenruhe, und die Seele hatte Muskeln, und es sah gut aus, wie sie ruhten. Und das Robuste hatte diesen Charme, weil es ein Reichtum, ein Besitz war. Connery: einer ganz oben, der von ganz unten kam. Noch Bonds Lizenz zum Töten für Seine Majestät benötigte kein nach außen drängendes Dröhnen, bei dem der gesamte Körper zur Faust geballt wurde. Den Nerv seines Spiels suchte Connery in den Übergängen zwischen gleichsam leisem Heraustreten und preschendem Innehalten. Er ging in die Wagnisse und beherrschte dabei eine gediegen kalkulierte Bewegungsvorsicht.

Diesen Schauspieler reizte das gewisse Moment an Kuriosität, das jeder heldischen Aktion anhaftet. Er siegte mit genau jenem Strahlen, dem man ansah, wie vorläufig es sein könnte.

Die Arroganz in Samt und Seide, mit der er in »Highlander« den Mythos der Unsterblichkeit begründete, oder jene wärmende Besonnenheit, mit der er mönchisch durch die Eco-Verfilmung »Der Name der Rose« ging, oder jene Unbestechlichkeit, die ihn als bestem Nebendarsteller in »Untouchables« 1987 einen Oscar bescherte - all diese Charaktermerkmale bauten auf die nämliche Paradoxie: dass der Schauspieler Connery um sich herum ein Niemandsland schuf, um den Zuschauern nahe zu kommen. Auch sein Agent 007, die blondesten Bikini-Schönheiten im Arm, umhüllte diese Aura des Unangreifbaren, ja fast Entrückten - die noch dann ein Geheimnis versprach, wenn das Drehbuch längst keines mehr offengelassen hatte.

Der Schotte Connery war besessener Patriot, stritt für die Unabhängigkeit seines Landes und ließ sich tätowieren: »Mum and Dad« sowie »Scotland Forever«. Im Schottenrock ließ er sich von der Queen zum Ritter schlagen. Der Vater war Lastwagenfahrer und die Mutter Putzfrau. Mit acht Jahren muss der Sohn seinen Lebensunterhalt als Milchmann verdienen; mit 13 verlässt er die Schule. Bis er rund zehn Jahre später seine erste Filmrolle bekommt, hat er sich vielen Berufen versucht.

Im ausführlichen nd-Gespräch 1992 in Hamburg sagte er: »Ich fürchte, nach dem starken Typ nun der für die Schlussphase zurechtgemachte Romantiker sein zu müssen. Mal sehen, ob ich mich wehren kann. Vom Helden zum Antihelden, ein schwerer Weg.« Seinen Bond-Nachfolger Roger Moore nannte er einen »sehr talentierten 008« und das Ungeheuer von Loch Ness »unser wunderbares Staatsgeheimnis«. Grundsätzlich erzähle er keine Schottenwitze. Warum? »Ich bin zu geizig.«

Dass er vor fast 15 Jahren ein »Playboy«-Interview gab, in dem er vom Recht blödplapperte, eine Frau schlagen zu dürfen, wird jener unabweisbare Gran Schmutz sein, den Anwälte - speziell wohl Anwältinnen - einer verletzbaren wie kämpferischen Ehrwürde nun auf den Gedenkglanz streuen. Mit Recht. Später schüttelte er über die Äußerung selber den Kopf. Was bestätigt: Eine Kunst, die aus dem Rahmen fällt, ist eben nicht automatisch identisch mit der Kunst, im Rahmen der Anständigkeit zu bleiben. Bilde, Künstler, rede nicht! Noch immer ein tragfähiges Rezept: Goethe goes to Hollywood. Wobei es zur überhaupt nicht schwatzhaft-groben Seite von Connery gehörte, eine Stiftung für den Klimawandel zu gründen und viele Jahre, ohne lautes Reden darüber, beträchtliche Summen einzusetzen.

Auf der Leinwand ein Abenteurer mit Klippensucht, aber Wagemut und Scheu konnten die gleichen mimischen Zeichen ausbilden. Schön ist alles, was die Wirklichkeit überglänzt - Connery gehörte zu den Prototypen jener Ära, die ihr Publikum ins Delirium eines Wünschens versetzte. Eines Wünschens, das nicht müde wurde, auf jeweils glorios erkämpfte Paradiese zu bestehen. Das kann vielleicht gar nicht mehr verstehen, wer als Jüngerer ins Kino geht, unter den Vorzeichen jenes durchgängig Schmutzigen, Wilden, Rissigen, das eines Tages auch die großen Studios erreichte und unterwanderte und eroberte. Immer ist Kino-Klassik eines Tages das, was erst komisch fremd wirken muss, um überhaupt Klassik genannt werden zu dürfen.

Richard Löwenherz. Der Vater von Indiana Jones. Kapitän auf dem sowjetischen U-Boot »Roter Oktober.« Nun ist Sean Connery, 1930 bei Edinburgh geboren, im Alter von 90 Jahren auf den Bahamas gestorben.

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